Unser Vereinsmitglied, DI Heinrich Schmutzenhofer, kann auf eine besonders weit zurückreichende gemeinsame Geschichte zwischen Österreich und Bhutan zurückblicken. Unter seiner Initiative nahm die staatliche Entwicklungszusammenarbeit zwischen Österreich und Bhutan ihren Ausgang. Wir haben ihn gebeten, uns seine ganz persönliche Geschichte, über seine Arbeit und seine Eindrücke aus dieser Zeit zu erzählen und darüber wie alles begann….
1985 – mein Start in Bhutan
Ich bin Absolvent des Forstwirtschaftsstudiums an der BOKU in Wien und begann als Assistent am Institut für Forstentomologie[1] und Forstschutz. Ich hatte schon früh Interesse und spezialisierte mich für diesen nicht sehr stark umworbenen Bereich. 1974 wurde ich von der FAO, der Welternährungsorganisation der UNO angefragt und so begannen meine internationalen Projektarbeiten zunächst in Lateinamerika. Anfang 1985 kam dann der Start für Bhutan. Ich erfuhr, dass einige österreichische Forstingenieure bereits ab 1975 für die FAO dort im Einsatz waren, für Forststraßenbau, Forstgeräteeinschulung, Hochwasserschutz und Kleinkraftwerksbau, und dass auch einige Bhutaner über die FAO zu Ausbildungslehrgängen nach Österreich in die Forstlichen Ausbildungsstätten Ossiach und Ort bei Gmunden kamen. Wie sich später herausstellte war auch der spätere Planungsminister Lyonpo Cenkup (Chenkyab) Dorji dabei, der später zum Österreich-Bhutan Forstprojekt entscheidend beitrug. Ja es vehement forderte!
Ein missverständlicher Auftrag
Die FAO in Rom fragte mich per Telefon, ob ich fachlich über einen „large borer“ Bescheid wüsste. Für mich als Entomologe, übersetzte ich „large“ mit „larch borer“ was Lärchenbock bedeutet und eben nicht „großer Holzbohrer“. Beim Briefing in Rom wurde mir rasch klar, dass eine Verwechslung bestand, dennoch hatte ich unterschrieben – also rein ins Vergnügen! Bockkäfer bzw. holzbohrende Insekten im Himalaya sind schließlich auch eine Herausforderung, obwohl Lärchen auch dort vorkommen.
Landung in der Stille
Mit einer kleinen DORNIER Turboprop Maschine, 18-Sitzer, starteten wir im heißen, lauten Kalkutta und landeten nach einem aufregenden Flug, bei dem die Maschine die Berghänge zu berühren versuchte, im Gebirgstal von Paro. Gleich dachte ich, ich hätte einen Gehörschaden, denn im Flieger war es sehr laut, am Flugfeld aber war es still, sehr still. Ich war beunruhigt, fühlte meine Puls, aber alles schien in Ordnung. Das war mein erstes Erlebnis in Bhutan, anhaltende Stille.
Das Geddu-Projekt
Geddu liegt auf knapp 2000 m im subtropischen Regenwald (6000-8000mm Jahresniederschlag) am ersten Monsun Gebirgszug. Dort im mild temperierten Gebirgswald nahe der Straße vom Grenzort Phuntsholing hinauf nach Thimphu, der Hauptstadt, die damals 19.000 Einwohner! zählte, befindet sich das Geddu- Holzkombinat, das damals hauptsächlich Schälfurniere aus der Scheinkastanie, Castanopsis indica, erzeugte, deren Qualität durch „large borer“ Befall litt und die oft eher einem Nudelsieb glichen als wertvoller Exportware.
In meinem Endbericht schlug ich als Problemlösung eine Änderung im Schlägerungs- und Holzbringungsablauf vor, von der Monsunperiode in die kühlen Wintermonate, um den Bruterfolg der Schädlinge zu stören, die im der kühlen Zeit keinen Befall verursachen können. Also ein „highrisk. ein low risk und ein no risk“ Zeitabschnitt über das Jahr waren die Managementkriterien. Diese Maßnahme war wirksam!
Besonders in Erinnerung ist mir das starke, lästige Auftreten von Blutegeln, die einem spannerraupengleich unbemerkt zukriechen, sich ansaugen und nach oft schwierigem Ablösen, eine schlecht heilende, juckende kreisrunde Wunde hinterließen. Also galt es, vor jedem Eintritt in die Unterkunft die Kleidung sorgfältig abzusuchen, die Schuhe draußen zu lassen, sonst hatte man überaus unliebsame Mitbewohner indoor.
Die Borkenkäferinvasion in Westbhutan
Mein Auftrag im Geddu-Projekt sah auch ein Bereisen Bhutans vor, um eventuell weitere Waldschäden zu erkunden und den Behörden zu berichten. Das verlängerte mein Projekt auf einige weitere Jahre, da ich die Massenvermehrung von einer Borkenkäferart diagnostizierte, die die Täler West Bhutans besorgniserregend erfasst hatte. Sie verursachte tausende Festmeter Fichten- und Kiefernschadholz und stellte damit die Holzexportpläne Bhutans nach Indien über Auktionen an der Grenze in Frage. Ich konnte den Käfer nicht eindeutig bestimmen, übergab das Insekt zur Bestimmung an Experten.
Wie es der Zufall will, stellte sich heraus, dass die Art noch unbeschrieben war und auch einen Namen brauchte. Es war unglaublich, dass so ein besonders schädigendes Insekt noch unbekannt war, und so kam es, dass dieses Biest nun meinen Namen trägt. Es ist nun in der Gattung Ips, ein Ips schmutzenhoferi enthalten. Unsere umfangreiche, mühevolle, anstrengende, entbehrungsreiche Arbeit zur Kontrolle des Schädlings war nach 3 Jahren so weit, dass keine neuen Schadflächen bekannt wurden. Waldhygiene, gesetzlich vorgeschriebene Entrindung nach der Schlägerung und die Entwicklung eines artspezifischen Pheromones (Versammlungslockstoff beider Geschlechter) waren die Eckpfeiler des Erfolges.
Die Forstentomologie in Bhutan
Im Zuge der Arbeiten entdeckte ich in Zusammenarbeit mit meinem Counterpart Dal Bahadur Chhetri unter anderem mehrere neue Baumschädlingsarten und ersuchte den Taxonomen Dr. G. Osella für die entsprechenden neuen Rüsselkäferarten einige damalige hohe bhutanische Beamte namentlich zu verewigen. So gibt es nun ministrable Käfer im Lande: Zwei große Rüsselkäfer, die Jungpflanzen absterben lassen, z.B. Hylobitelus cenkupdorjii, und Dyscerus paljordorjii und den Holzbohrer Trypodendron dorjitensingii. Nur Höchstrichter Paljor Dorji hatte Zweifel an seinem Los auch ein Käfer zu sein, denn als gläubiger Buddhist könne er wegen seines Doppelgängers nicht aus dem Kreise der Wiedergeburten ausscheiden. Lyompo C. Dorji trug es in aller Freundschaft mit Fassung, der damals für Forst und Straßen zuständige und leider schon verstorbene Dasho Dorji Tensing fühlte sich geehrt.
Die Einführung des Faches Forst-und Waldschutz scheint in Bhutan Faktum zu sein. Mein Counterpart Dal Bahadur Chhetri war der erste Student aus Bhutan der 1987/88 an der BOKU und Forstlichen Bundesversuchsanstalt, heute BAW, Forstentomologie und Forstschutz studierte und sein Zertifikat erhielt. Er ist seit einigen Jahren nach erfolgreicher Arbeit in Pension. Zuletzt absolvierte der Student Kaka den zweijährigen Masterkurs an der BOKU im Bereich Forstschutz mit einem Thema zu Ips schmutzenhoferi und Klimawandel. All das ist auch ein Beitrag zur fachlichen Absicherung der Wald- und Naturschutzhaltung Bhutans.
Das Forstprojekt Ura- Thrumsingla, Startphase 1989-1992
Die Erfolgsspuren der österreichischen Forstexperten, ab1975! beeindruckten den damaligen Planungsminister Lyonpo C. Dorji derart, dass er mich ersuchte, in Österreich einen Weg für ein bilaterales Forstprojekt zu ebnen, ähnlich einem Projekt der Schweizer Organisation Helvetas in Zentralbhutan. Der Projektantrag wurde seitens der Planungskommission in Thimphu erstellt und von mir nach Österreich gebracht. Bei einem Besuch der forstlichen Führung Bhutans in der Schweiz wurde mir der Wunsch mitgeteilt, einen Anschlussbesuch in Österreich zu ermöglichen. So besuchten Dasho Dorji Tensing und sein Team Österreich.
Die bhutanischen Besucher wurden der von den Österreichischen Bundesforsten, von Ministerien und der damaligen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium empfangen. Kurz danach wurde ein entsprechender Projektantrag in Österreich angenommen und die EZA-Organisation ADC mit der Durchführung betraut. In diesem Jahr 1989 wurden damit auch die offiziellen diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Bhutan aufgenommen und besiegelt. Die Projektleitung wurde mir, als damaliger Sekretär des Internationalen Verbandes Forstlicher Forschungsanstalten, IUFRO, übertragen.
Der erste Schritt war die Auswahl eines geeigneten Waldgebietes. Nur die Zone Ura – Thrumsingla Pass, in einer Seehöhe zwischen 3200 und 4000 Metern im Osten Zentral-Bhutans war dafür einigermaßen geeignet. Im Jahre 1989 konnte dann die Feldarbeit mit einem Team aus Österreich aufgenommen werden. Wir errichteten 3 Häuser bei Ura, erstellten einen Infrastrukturplan, Waldinventur und Forsteinrichtung.
Im Jahr 1992 schied ich aus dem Projekt aus, das durch Professor DI Dr. Gerhard Glatzel mit dem Team weiterentwickelt wurde. Heute ist das ursprüngliche Projektgebiet ein Schutzgebiet mit einem Rhododendron Naturpark am Thrumsingla Pass.
(Mehr zur erfolgreichen Weiterführung des Projektes von 1993 bis 2014 kann in der Broschüre „Austria-Bhutan. Years of Partnership 1989-2014“ nachgelesen werden)
[1] Entomologie ist die wissenschaftliche Erforschung der Insekten, Insektenkunde