Im Rahmen des Projekts „ Rechtszugang stärken für Opfer geschlechtsbezogner Gewalt in Bhutan“ wurde u.a. auch ein zweimonatiger Schneidereikurs für Frauen finanziert (Projektpartner RENEW; mit Förderung des Österreichischen Sozialministeriums/ JugendEineWelt). Das Training sollte ihre wirtschaftliche Selbständigkeit fördern und ihnen ermöglichen ein eigenständiges Einkommen zu erwirtschaften. Während eines Projektbesuchs unseres Vereins im November konnten wir uns von den neu gewonnenen Fertigkeiten der 19 Teilnehmerinnen und des einzigen männlichen Teilnehmers des Kurses aus Rinchengang überzeugen. Mit großem Engagement fertigen die Frauen nun bereits Kiras, Tegos und Wanjus, die traditionelle Kleidung von Frauen in Bhutan sowie andere Produkte und erhalten bereits Aufträge für Näharbeiten.
Ein erster Schritt zur wirtschaftlichen Selbständigkeit
Die Frauen in Rinchengang sind Reisbäuerinnen, die meisten von ihnen haben keine Schule besucht. Sie leben mit ihren Familien in sehr einfachen Verhältnissen. Chimi Wangmo, eine junge, 34-jährige, sehr engagierte Reisbäuerin mit vier Kindern, hat sich für die Organisation des Nähkurses eingesetzt und hat die Funktion der Gruppensprecherin übernommen. Bei unserem Besuch lernten wir die Nähkursteilnehmerinnen Nima Dema, Zeko und Seldon sowie dem einzigen männlichen Teilnehmer am Nähkurs, Asha Lhatu, kennen. Stolz zeigten sie ihre Teilnahmezertifikate und die Produkte ihrer Arbeit. 19 Teilnehmerinnen und Asha Lhatu haben zunächst den zweimonatigen Basisnähkurs besucht. In den acht Wochen lernten sie die Funktionsweise der Nähmaschine und deren Pflege kennen, sowie die Anwendung der verschiedenen Stiche, Maß nehmen, Schnittzeichnen und Zuschneiden. Im Anschluss daran konnten sie einen Aufbaukurs besuchen, der von der finnischen Organisation FIDA International finanziert wurde.
Mikrokredite für Nähmaschinen
Die Frauen und Asha Lhatu arbeiten tagsüber auf dem Feld, versorgen Haushalt und Kinder. Am Abend nähen sie. Mit Hilfe von Mikrokrediten von RENEW konnten sich fast alle Nähkursteilnehmerinnen eine eigene Nähmaschine leisten. Es sind alte Singer- oder Meritt-Modelle, wobei Tretpedal und Schwungrad kaum mehr benützt werden. An der Rückseite der Maschine ist ein Motor angebracht. Erstaunlicher Weise sind mit diesen Maschinen nicht nur gerade Nähte sondern sogar Overlockstiche möglich.
Erste Aufträge
Die Nähkursteilnehmer*innen haben gelernt Tegos, Wanjus und Kiras zu nähen. Mit wachsender Übung haben sie sich jedoch bereits an weitere Produkte gewagt: Behälter für den Reis der ersten Ernte, der im Tempel geopfert wird, Taschen, und auch Thangkas wurden schon genäht. Die Stücke sind wirklich sehr akkurat und schön gefertigt. Mittlerweile bestellen Hotels und Restaurants Uniformen für ihr Personal. Chimi wurde etwa mit der Herstellung von 30 Wonjus und 50 Tegos beauftragt. Solche Aufträge werden dann auch unter den Näher*innen verteilt und schaffen ein gutes Zusatzeinkommen.
Ein Weg aus der Armut
Der einzige männliche Teilnehmer, der 48-jährige Familienvater Asha Lhatu lebt mit seiner Frau und bis vor kurzem mit seinen drei Kindern in sehr prekären Verhältnissen. Sein Haus besteht aus einem einzigen Raum von ca. 12 oder 15 m2. Der Raum ist Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Altarraum und Nähwerkstatt zugleich. Asha Lhato besitzt kein eigenes Land, sondern verdingt sich auf den Feldern von anderen Bauern, die Land besitzen. Seine körperlichen Beschwerden machen ihm aber zunehmend zu schaffen, sodass die schwere Arbeit am Feld, das Bücken und Tragen von schweren Lasten immer mehr Mühe machen. Asha Lhatu hatte sich für den Nähkurs gemeldet, dann aber kurzfristig seine Anmeldung zurückgezogen, da er sich als einziger Mann im Kurs fehl am Platz fühlte. Er konnte dann doch überredet werden, am Kurs teilzunehmen, wo er sich als sehr engagiert und talentiert herausstellte. Bald hatte er sich so viel Können angeeignet, dass die anderen Teilnehmerinnen immer wieder zu ihm um Rat und Hilfe kamen, wenn sie selbst nicht weiter wussten. Mit seinen Näharbeiten hat Asha Lhatu nun ein kleines Zusatzeinkommen zur Feldarbeit, die er nur mehr eingeschränkt leisten kann. Die Anerkennung in der Gemeinschaft ist ein zusätzlicher Antrieb und eine Stärkung seines Selbstbewusstseins.
Rinchengang – Ein geschichtsträchtiger Ort
Das im zentralen Bezirk von Wangduephodrang gelegene Rinchengang, ursprünglich als Drinchengang (Dorf der Dankbarkeit) bekannt, ist eine der ältesten Siedlungen des Landes. Es handelt sich um eine einzigartige, kompakte Ansammlung von Lehmziegelhäusern, die auf dem Bergrücken gegenüber dem Dzong von Wangduephodrang in den Hang gemeißelt sind.
Die Siedlung geht auf die Zeit der Zhabdrung-Ära im 17. Jahrhundert zurück. Jahrhundert zurück. Während des Baus des Wangduephodrang-Dzongs im Jahr 1638 sollen die ersten Bewohner von Rinchengang von Zhabdrung aus Cooch Behar für die Bauarbeiten herbeigerufen worden sein. Dieses winzige Stück Land mit einer Fläche von 3 Acres und 35 Decimals (ca 13.500 m2) wurde von Zhabdrung als Anerkennung für ihre außergewöhnliche harte Arbeit und ihr großes maurerisches Können beim Bau des Dzong belohnt.
Die Architektur von Rinchengang ist seit dem 17. Jahrhundert erhalten. Jahrhundert erhalten. Die verwendeten Materialien sind traditionell: Holz, Steine und Lehmziegel. Auch die Baumethoden sind ursprünglich, und die Herstellung von Lehmziegeln ist eine besondere Fertigkeit, die in der Gemeinde noch immer hochgehalten wird.
Das gesamte Land ist ein einziges Grundstück (Thram), das sich im kollektiven Besitz der Gemeinschaft befindet, ohne dass es einen einzelnen Landbesitzer gibt. Die Menschen in Rinchengang leben hauptsächlich von der Landwirtschaft, die ihre Haupteinnahmequelle ist. Auf den Feldern rund um das Dorf wird hauptsächlich Reis angebaut. (Quelle: Center for Bhutan & GNH Studies (2020): Urban Planning and Wellbeing)
Im Rahmen eines königlichen Projekts ist geplant, Rinchengang noch stärker als touristische Sehenswürdigkeit auszubauen. Damit ist auch die Erwartung verbunden, die im Projekt neu erworbenen Kenntnisse für das erhoffte Wachstum des Tourismus nützen zu können, und damit weitere Einkommensmöglichkeiten zu erschließen.